Ihr Lieben,
das war spannend im letzten Schreibkurs. Da hält eine TN auf einmal inne während der 10 minütigen Schreibphase (ich gebe einen Satzanfang oder einen Impuls und lasse die Leute frei schreiben) und blickt mich völlig baff an: Ich habe gerade verstanden, warum ich mich innerlich so dagegen wehre zu schreiben, warum ich bis jetzt immer dachte, ich kann nicht schreiben...
Angst vor sich selbst
Was sie daraufhin sagte, verstand ich so gut: "Ich habe Angst, dass das Schreiben meine Masken fallen lässt, dass mein inneres Chaos sichtbar wird". Genau so.
Schreiben so wie ich es verstehe, ist ehrlich, das werde ich nicht müde zu sagen. Wer den Stift unter meiner Anleitung aufs Papier setzt, hat in kürzester Zeit Zusammenhänge erkannt, die sich wie ein roter Faden durch sein Leben ziehen. Er oder sie ist bereit, ehrlich hinzuschauen.
Bilder, Posts und Co bilden nicht das normale Leben ab
Und da wir gerade bei Ehrlichkeit sind, möchte ich mal den Wind aus den Segeln dieser ganzen Schischi-Glücksbotschaften, Achtsamkeits-Sprüchen oder "Ich schaffe alles, was ich will" nehmen. Natürlich motivieren wir Blogger den Leser und das ist auch gut so. So passiert es aber, dass die Leser, sagen wir mal die ganz normalen Leser wie du und auch ich, natürlich denken "Oh Mennooooo, guck mal wie gut die aussieht und wie gut gelaunt die ist und was für ein schönes, ordentliches Zuhause sie hat und die Klamotten... herrlisch". Ein Schmarn!!! Nicht ein Schmarn, weil die auch schlechte Laune haben, was natürlich der Fall ist, sondern ein Schmarn, weil wir in eine Falle tappen: Wir vergleichen uns mit diesen HappyStrahleTypen.
Nicht teuschen lassen
Nicht alle Blogger sind so glücklich wie sie auf den Selfies aussehen. Ganz sicher schreibe ich im Blog anders als morgens in mein Ringtagebuch. Selten gibt man öffentlich preis, was einen nervt, verstummen lässt, traurig macht oder ängstlich die Decke über den Kopf ziehen lässt. Ich möchte, dass ihr wisst, dass es diese Tage trotz der Motivation hier und der ganzen Glücksbotschaften in FB gibt. Bei jedem. Und, dass das dazugehört.
Fremdbestimmte Blogger
Und für uns Blogger, passen wir auf, dass wir nicht in eine Falle tappen: Wir haben die Selbstbestimmung gewählt, sonst wären wir keine Blogger. Wenn wir aber anfangen, andere zu motivieren, Vorreiter zu sein, anderen "helfen" zu wollen, kann es passieren, dass wir etwas darstellen, das wir so gar nicht sind. In dem Moment, in dem wir etwas verschweigen, weil es nicht so gut in unser öffentliches Profil passt, verraten wir uns ein Stück selbst. Und ganz ehrlich: In dem Moment, wo wir das sagen, was Leser hören wollen oder das schreiben, was viele Likes bekommt oder "in" ist, sind wir genauso fremdbestimmt wie jemand, der seine Seele für Geld verkauft.
Ehrliches Schreiben
Nicht, dass ihr das falsch versteht, für mich ist Ehrlichkeit mir selbst gegenüber auch eine tägliche Herausforderung. Und wird es bleiben. Alles andere wäre nicht ehrlich. Menschen sind nicht immer ehrlich. Es ist, wie es ist. Doch was eben wirklich helfen kann, ist das ehrliche Aufschreiben dessen, was in uns ist. Nutzt es, um eure Gefühle und Gedanken so aufs Papier zu bringen, wie sie da sind. Steht zu euch. Wenn es euch dreckig geht, schreibt eure Gefühle nieder. Wenn ihr vor Glück tanzt, auch gut;)
Eure Beatrix
P.S. Wenn euch meine Arbeit gefällt, wäre es nett, wenn ihr sie unterstützt: schaut öfter vorbei, hinterlasst mir einen Kommentar, lest oder verschenkt meine Bücher, nehmt an meinen Seminaren teil, likt meine Seite oder kommt in unsere Gruppe "Schreiben in Cafés" auf FB. Willkommen!
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Miss Jones (Freitag, 02 Februar 2018 13:28)
Hmm, ja das ist die ewige Frage, kan ich das jetzt wircklich so sagen, oder verschrecke ich meine Leser*innen, oder verletze ich evtl. jemanden. Andererseits ist es unlogisch, wenn immer alles gut ist.
Ein Balanceakt!
MFG
Miss Jones
Kate (Samstag, 10 März 2018 09:17)
Hallöchen,
ich bin neulich durch Zufall auf deinen Blog Aufmerksam geworden und möchte jetzt endlich einen Kommentar dalassen :)
Das mit den Bildern, Posts und Co. kenne ich nur zu gut. Gerade schön eingerichtete Wohnungen und vor allem Arbeitsplätze schlagen mir schwer zu. Denn wie soll ich etwas tolles schreiben können, wenn ich an meinem langweiligen Schreibtisch sitze, während andere so schöne und coole Plätze haben?
Das verunsichert mich mal mehr, mal weniger. Obwohl das natürlich Quatsch ist.
Das mit der Fremdbestimmtheit kommt mir auch bekannt vor. Ich habe mich mehrmals dabei erwischt, wie ich etwas dargestellt habe, was ich nicht bin. Das waren nur Kleinigkeiten, aber es schockt.
In der Hinsicht achte ich jetzt aber mehr darauf, ob ich wirklich mich präsentiere oder nur eine positivere Version von mir.
Ich kenne einige Blogger, die nur das Gute und Erfolge posten, aber auch mal Rückschläge einstecken. Die werden im Social Media aber verschwiegen. Irgendwie finde ich das doch eher unsympathisch.
Danke für diesen tollen Beitrag. Ich fühle mich jetzt ein bisschen mehr verstanden.
Liebste Grüße, Kate
Meine Schreibbar (Montag, 12 März 2018 16:01)
@Kate, vielen Dank für deinen Kommentar! Zu den Schreibtischen gibt es von Hanns-Josef Ortheil einen guten Videobeitrag auf seiner Seite, dort zeigt er seinen ganz karg eingerichteten Schreibtisch. Das solltest du dir das nächste Mal ansehen, wenn du deinen Schreibtisch als langweilig betrachtest;) LG!
Uschi (Montag, 07 Mai 2018 22:58)
Dieses „nach außen gucken“, vergleichen, denken „the grass is greener on the other side“ ist doch immer nur vergessen, dass WIR für unser Glück verantwortlich sind, dass wir doch am Ende tatsächlich entscheiden, ob wir einen langweiligen oder einen bunten Schreibtisch haben, oder ob wir vielleicht sogar mit dem langweiligen zufrieden waren, bevor wir die anderen gesehen haben.
Zufriedenheit, das ist das zweite, wichtige Gefühl, dass wir natürlich auch wieder nur von innen heraus entdecken und leben können, da wo auch die Schönheit herkommt.
Daran kann man dann ja auch erkennen, wieviel Vergleich, wieviel Angebot brauche ich überhaupt? So schön das auch ist, es wird oft zu viel...das ist dann so anstrengend und verwirrend.
Wenn wir wirklich lernen bei uns selbst zu bleiben (und glaubt mir, ich bin meilenweit davon entfernt), dann lassen wir uns nur von dem ablenken, was uns wirklich was bedeutet, inspiriert oder - weniger hochtrabend und philosophisch -einfach Spaß macht.
Ich verliere mich wieder mal in Lebensphilosophie und wollte mich eigentlich gerade dafür entschuldigen, aber warum eigentlich? Das bin ich, seit ich denken kann, denke ich darüber nach, ist total mein Ding.
Ich bin keine Esoteriktante, die allen sagt, wie das Leben geht (Vermerk der Autorin: es gibt natürlich auch gute Esoteriktanten), aber ich überlege mir gerne, wie es gehen könnte und frage mich, ob ich es je erfahren werde!
Eigentlich spannend, oder?
Uschi (Montag, 25 Juni 2018 23:58)
Die vier Jahreszeiten...
...sind sie nicht die exakte Spiegelung unseres Lebens? Wir erleben immer wieder Zeiten des Frühlings, des Erwachens, des Gefühls immer und ewig
zu sein. Eine scheinbar endlose Aneinanderreihung von Freude und Glücksmomenten.
Der Frühling, er muss nicht unbedingt im ersten Jahresdrittel stattfinden, ich zum Beispiel, erlebe meinen persönlichen Frühling im Winter, wenn so
richtig viel Schnee liegt, wenn die Flocken vom Himmel schweben, wenn sich der weiße Zauber über die Landschaft legt und alles gut macht, alles zudeckt, auch das, was nicht so schön ist.
Man sieht das Glitzern im Sonnenlicht und die Magie des Augenblicks, ja man kann sogar die Rentiere hören und manchmal, wenn alles ganz still steht, weiß man plötzlich, dass es Engel wirklich gibt.
Ich mag aber auch den Frühling mit all seinen Farben, die ersten Schneeglöckchen, die sich der Legende nach ja das Weiß vom Schnee ausgeliehen haben, die Primeln, die Krokusse und die Narzissen, die oft noch frierend der Kälte und dem Wind trotzen und sich stolz mit ihren bunten
Blüten behaupten.
Es gibt so viel zu entdecken in dieser Jahreszeit, so viele Gerüche, die einen wieder aufwecken, einem sagen: „Erinnerst du dich, weißt du noch, im letzten Jahr? Da war bei diesem Geruch auch schon ein Stück Sommer drin“...die Hoffnung darauf, dass alles warm und gut wird. Geborgenheit im sonnigen Garten auf grünem Gras am fröhlich gedeckten Kaffeetisch mit Erdbeerkuchen. Alles ist hell, sauber, glücklich.
Diese Momente mochte ich früher am liebsten, tiefes Vertrauen in die sichere Zukunft, es kommt immer wieder eine neuer Sommer.
Der Herbst war immer traurig, regnerisch, grau, ein Vorgeschmack auf eine lange, dunkle Zeit ohne Bikini, Handtuch und Eis.
Heute können wir das ja überbrücken, indem wir in den Herbstferien nach Fuerteventura fliegen, das heißt, wer sich das noch leisten kann.
Aber spätestens bei der Rückkehr nach Hause ist es wieder grau, darauf kann man sich in unseren Breiten verlassen.
Doch ist nicht auch das eine Spiegelung unseres Lebens, das Kommen und Gehen, das Verblühen und wieder neu entstehen? Ein Teil, den wir vielleicht nicht so gerne betrachten, weil er uns nachdenklich macht.
Wir kommen zur Ruhe, wir lehnen uns zurück, trinken einen Tee unter der warmen, bunten Wolldecke und lesen ein Buch, während es draußen stürmt und regnet, und die Bäume sich in dieses mystische, wilde Grün verfärben, das ein bisschen was von Abenteuer erzählt, von Freiheit und von Vertrauen in die Natur.
Irgendwie doch schön im Herbst, jetzt dreht sich das fallende Blatt, denn wir brauchen diese Zeit in unserem Leben, wir brauchen das Reflektieren, manchmal auch das traurig sein.
Ich mochte den Herbst nicht, weil ich nicht loslassen will, von dem, was gerade ist. Aber wenn das, was gerade ist, immer konstant bleibt, starr und ohne jegliche Bewegung, dann ist es auch nicht gut. Leben ist im Fluss bleiben, sich biegen wie die Bäume im Sturm, nicht beugen, aber beweglich bleiben, immer wieder aufstehen, Hürden überwinden, lernen, leben.
Ich habe lange auf Jamaica gelebt, da gibt es keine Jahreszeiten und man müsste meinen, es gäbe auch keine Stimmungsschwankungen, keine „Tiefs“, aber weit gefehlt. Die Aufgaben des Lebens, die Probleme, die wir lösen sollen, die Ängste, die es zu überwinden gilt, holen uns überall ein, auch wenn die Sonne noch so hell scheint.
Das sind dort fast 365 Tage im Jahr, allerdings gibt es auch die Stürme, nicht solche wie bei uns im Herbst, das sind richtige Stürme, Hurricanes, die einem alles entreißen, was man je besessen hat. Da wird man schmerzlich daran erinnert, dass hier alles nur geliehen ist.
Das Auf und Ab, das Für und Wider, das Hell und Dunkel, ist es nicht eigentlich das, was unser Leben so interessant macht?
Würden wir denn überhaupt das Wochenende zu schätzen wissen, wenn wir nicht zur Arbeit gingen? Wäre der Urlaub genauso schön, wenn wir ihn dauernd hätten? Könnten wir uns tatsächlich über manche Dinge so sehr freuen, hätten wir nicht hart dafür gekämpft oder lange gespart?
Wir planen, das ist auch gut, denn wir brauchen das Gefühl, etwas unter Kontrolle zu haben, etwas aufzubauen, zu beeinflussen.
Wir sollten nur nicht vergessen, dass wir uns auch treiben lassen sollten, manchmal, immer öfter.
Genau die Mischung zwischen „ich nehme es jetzt in die Hand“ und „ich lass‘ mal die fünf g‘rade sein“ beschert uns, so glaube ich, die meisten Glücksmomente, im Sommer wie im Herbst!
UJ